Cold Case – Der mysteriöse Millionen-Raub Schloss Ricklingen in Hannover
Cold Case – Der mysteriöse Millionen-Raub Schloss Ricklingen in Hannover
23.11.2025 | 20:25
Redaktion Polizeiticker Deutschland
Eine Überwachungskamera nahm die Täter auf. (Bildquelle: Polizei Hannover)
In einer Novembernacht des Jahres 2012 dringen drei maskierte Männer in ein abgelegenes Schloss bei Garbsen ein. Sie nehmen Schmuck, Gold und wertvolle Uhren im Millionenwert – und verschwinden spurlos, obwohl eine Überwachungskamera jeden ihrer Schritte festhält. Was wie ein klassischer Einbruch beginnt, entwickelt sich zu einem der rätselhaftesten Kriminalfälle der Region.
DER RAUB VON SCHLOSS RICKLINGEN – DIE GESCHICHTE EINES NÄCHTLICHEN EINBRUCHS UND EINER ERMITTLUNG, DIE SICH GEGEN SICH SELBST WENDETE
Die Nacht, in der alles still stand
In der Nacht auf den 4. November 2012 liegt über dem kleinen Ort Schloss Ricklingen eine schwere Stille. Die Straßen sind leer, nur das leise Rauschen der Bäume dringt über die Mauern des alten Schlosses hinweg, das am Rand des Dorfes liegt. Sein Besitzer ist verreist, wie so oft. Seit dem 31. Oktober ist das Gebäude unbewohnt – ein Detail, das für das, was in dieser Nacht geschehen wird, von zentraler Bedeutung ist.
Niemand bemerkt, wie sich drei maskierte Männer dem Anwesen nähern. Sie bewegen sich ruhig, entschlossen, ohne jedes Zögern. Als sie die Terrassentür erreichen, wissen sie genau, wo sie ansetzen müssen: Ein kräftiger Druck, ein gezieltes Hebeln – und die Barriere gibt nach. Das Schloss hat sich geöffnet, so lautlos, als hätte es auf sie gewartet.
Drinnen gehen die Männer zielgerichtet vor. Sie bewegen sich durch die Flure, als hätten sie den Grundriss studiert. In mehreren Räumen greifen sie nach Schmuck, Goldmünzen, teuren Uhren, Antiquitäten.
Die Überwachungskamera im Inneren zeichnet sie auf, kalt, unbeteiligt, aber als einziger Zeuge dieser Nacht. Die Aufnahmen zeigen keine Gesichter, keine Stimmen, keine eindeutigen Bewegungsmuster – nur maskierte Gestalten, die millionenschwere Gegenstände einstecken.
Als die Männer wieder verschwinden, ist es 04:25 Uhr. Zurück bleibt ein aufgebrochener Eingang, durchwühlte Räume – und ein Schaden in Höhe von rund 1,3 Millionen Euro.
Die Rückkehr – Ein Bild der Verwüstung
Am Morgen betritt der Schlossherr wieder sein Anwesen. Der Anblick muss wie ein Schlag getroffen haben: zerstörte Türen, offene Schränke, leere Vitrinen. Die Polizei wird gerufen, Beamte sichern Spuren, nehmen die Videoaufnahmen mit, beginnen sofort mit der Fahndung. Der Fall ist spektakulär genug, um schnell die lokale Presse zu erreichen – und von dort aus in die überregionalen Medien zu springen.
Es folgen die ersten Fragen der Ermittler:
Wer hat etwas gesehen? Wer erkennt die Täter? Wem wurden Schmuckstücke oder Uhren angeboten?

Diese Uhren waren Teil der Beute. (Bildquelle: Polizei Hannover)
Doch trotz der klaren Bilder aus den Kameras melden sich keine Zeugen, keine Hinweise, keine Namen. Die Täter wirken wie Schatten: sichtbar und doch ohne jede Spur. Wochenlang bleibt der Einbruch ein klassisches Rätsel – bis die Ermittlungen eine unerwartete Richtung einschlagen.
Ein neuer Verdacht – Die Ex-Frau rückt ins Zentrum
Anfang 2013 richtet sich der Blick plötzlich auf die Ex-Frau des Schlossbesitzers. Es gibt Spannungen in der Familie, alte Konflikte, und irgendwann tritt eine Cartier-Uhr in den Mittelpunkt: ein Modell, das angeblich zur Beute gehören soll. Die Polizei inszeniert einen Scheinkauf, bei dem die Frau diese Uhr in einem Restaurant in Hannover übergeben soll. Als sie erscheint, greifen die Beamten zu. Sie wird festgenommen. Der Verdacht: Sie könnte in den Einbruch verwickelt sein. Vielleicht hat sie Männer engagiert, vielleicht hat sie Informationen weitergegeben.
Die Medien stürzen sich auf die Geschichte. Eine elegante Ex-Gattin, ein millionenschwerer Raub, eine zerrüttete Ehe – es ist die Art von Konstellation, die Schlagzeilen garantiert. Die Ermittler scheinen überzeugt, eine heiße Spur zu haben. Doch genau diese Spur beginnt zu bröckeln.
Der Zusammenbruch der Theorie – Eine überraschende Entlastung
Denn im Laufe des Verfahrens legt die Verteidigung Beweise vor: Fotos, Besitznachweise, Dokumente. Sie zeigen, dass bestimmte angeblich gestohlene Gegenstände schon vor der Tat in ihrem Besitz waren – ganz legal und eindeutig belegt. Alles, was den Verdacht gegen sie getragen hatte, fällt innerhalb weniger Wochen in sich zusammen.
Die Ermittlungen müssen neu bewertet werden. Und sie drehen sich – diesmal in eine Richtung, die kaum jemand erwartet hat.
Der Verdacht kehrt zurück – Dieses Mal gegen den Besitzer
Plötzlich steht der Schlossbesitzer selbst im Fokus der Staatsanwaltschaft. Der Mann, der ursprünglich als Geschädigter galt, steht nun unter dem Verdacht, die Polizei bewusst in die Irre geführt zu haben. Es geht um falsche Verdächtigung, möglicherweise um Versicherungsbetrug, vielleicht sogar um die Frage, ob wirklich alle gestohlenen Gegenstände gestohlen waren.
Dieser Verdacht wird noch durch etwas anderes genährt – eine Entdeckung, die Monate nach dem Einbruch bei einer erneuten Durchsuchung gemacht wird. In Räumen des Schlosses, in Schränken, die längst hätten durchsucht sein sollen, findet die Polizei Teile der angeblich verschwundenen Beute. Uhren, Schmuckstücke, Gegenstände, die zuvor als gestohlen gemeldet wurden, liegen nun wieder im Gebäude.
Wie sie dorthin gelangt sind, bleibt unklar. Der Schlossherr erklärt, er habe sie „zurückgekauft“ – eine Aussage, die mehr Fragen als Antworten aufwirft. Von wem? Wann? Warum? Nichts davon lässt sich öffentlich nachvollziehen. Für die Ermittler ist es ein weiterer Baustein in einem ohnehin verwirrenden Puzzle.
Der Fall zerfasert – und verstummt
In den Monaten danach splittern die Ermittlungen in unterschiedliche Richtungen. Es gibt juristische Nachspiele, Nebenschauplätze, Vorwürfe gegen Personen im Umfeld des Schlossherrn, aber keinen klaren Abschluss. Die drei maskierten Täter aus dem Video werden nie identifiziert. Keiner der Hinweise aus „Aktenzeichen XY“ führt zu ihnen. Die exakte Rolle des Schlossbesitzers bleibt ebenso offen wie die Frage, warum einzelne Beutestücke im Haus selbst wieder auftauchten.
Mit der Zeit wird es still um den Fall. Die Ermittlungen verlieren sich in Aktenordnern, die Medien wenden sich neuen Themen zu, und das Schloss steht wieder so da wie vor jener Nacht – ruhig, statisch, scheinbar unberührt. Doch die Geschichte von damals hängt immer noch über dem alten Gemäuer, wie ein Schatten, der sich nie ganz auflöst.
Das Rätsel, das bis jetzt niemand lösen konnte
Denn was wirklich in jener Nacht im November 2012 geschehen ist, weiß bis heute niemand.
Ob es ein hochpräziser Einbruch war. Ein Familienstreit, der aus dem Ruder lief.
Ein Versicherungsbetrug. Oder eine Mischung aus allem.
Der Fall Schloss Ricklingen bleibt ein Cold Case – nicht, weil es zu wenig Spuren gibt, sondern weil jede Spur eine neue Richtung zeigt, ohne jemals irgendwo anzukommen.
Neue Hinweise nach der XY-Sendung 2013
Im April 2013 erhält der Fall noch einmal Aufmerksamkeit, als er in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“ gezeigt wird. Die Ausstrahlung löst eine Welle von Zuschauerreaktionen aus. Insgesamt gehen 50 Hinweise bei der Polizei ein – deutlich mehr als erwartet. Zehn davon stufen die Ermittler als besonders interessant ein. Sie beziehen sich auf mögliche Täter, ein potenzielles Tatfahrzeug und auffälligen Schmuck, der nach dem Einbruch hätte angeboten worden sein können.
Erstmals taucht dabei auch eine konkrete Beobachtung auf, die der Polizei zuvor nicht bekannt war:
In der Tatnacht soll in der Nähe des Schlosses ein verdächtiger Kleintransporter gesehen worden sein, in dem vier dunkel gekleidete Männer saßen. Die Sichtung passt zeitlich und örtlich zum Einbruch.
Trotz der Menge an Meldungen – und obwohl einige Hinweise vielversprechend wirken – führt keiner von ihnen zu einer Identifizierung der drei maskierten Männer, die auf den Überwachungsvideos zu sehen sind. Auch der Kleintransporter und seine Insassen lassen sich später nicht mehr eindeutig zuordnen.
So bleibt der Fall, trotz eines kurzen Moments neuer Hoffnung, weiterhin ungelöst.