Cold Case – Mord an der 5-jährigen Zeynep Ipek aus Neuenrade – Nach 39 Jahren neue Spur
Cold Case – Mord an der 5-jährigen Zeynep Ipek aus Neuenrade – Nach 39 Jahren neue Spur
25.11.2025 | 18:51
Redaktion Polizeiticker Deutschland
(Bildquelle: Archiv Polizei, ZDF XY ungelöst)
39 Jahre nach dem gewaltsamen Tod der fünfjährigen Zeynep I. in Neuenrade nimmt die Mordkommission Hagen erneut Ermittlungen auf. Neue DNA-Analysen und ein Beitrag bei „Aktenzeichen XY“ sollen endlich zur Identifizierung des Täters führen.
Der Mord an Zeynep Ipek – Alles was bekannt ist
Ein ungeklärter Kindermord, der Neuenrade bis heute prägt
Der Mord an der fünfjährigen Zeynep I. aus Neuenrade im Märkischen Kreis zählt zu den bedrückendsten und zugleich rätselhaftesten Cold Cases in Nordrhein-Westfalen.
Das kleine türkische Mädchen, in manchen damaligen Berichten auch unter dem Namen Ipek geführt, verschwand in der Nacht vom 14. auf den 15. November 1986 aus dem Schlafzimmer der elterlichen Wohnung – und wurde nur wenige Stunden später, kaum zweihundert Meter entfernt, ermordet aufgefunden.
Bis heute wurde der Täter nicht identifiziert. Fast vier Jahrzehnte später wird der Fall erneut untersucht, mit neuer Technik, neuer Hoffnung und einer neuen öffentlichen Fahndung.
Die Familie und die Wohnsituation
Die Familie lebte damals in einem Mehrfamilienhaus am Waldrand, in der Eichendorfstraße, im Ortsteil Winterlit. Es war ein eng bewohntes Gebäude, in dem mehrere bekannte und verwandte Familien lebten und sich zur Tatzeit zahlreiche Angehörige aufhielten.
Hinweise auf ein konkretes Familienfest oder eine besondere Zusammenkunft an diesem Abend gibt es nicht – lediglich die übliche Anwesenheit mehrerer Familienmitglieder.
Zeynep schlief wie üblich gemeinsam mit ihren drei Geschwistern in einem kleinen Schlafzimmer. Ihr Vater brachte sie gegen 21 Uhr zu Bett.
Die Information, dass die Haustür unverschlossen war, stammt aus älteren Presseberichten und ist nicht offiziell aus Ermittlungsakten bestätigt. Nichts deutete an diesem Abend auf eine Gefahr hin.
Das Verschwinden in der Nacht
Irgendwann in den Stunden nach dem Einschlafen verließ das Kind unbemerkt das Zimmer und die Wohnung. Niemand hörte Schritte oder bemerkte Licht. Bis heute ist nicht abschließend geklärt, ob Zeynep selbstständig aufstand und das Haus verließ oder ob eine Person sie aus dem Bett holte und wegführte.
Die Ermittler haben früh die zweite Variante als deutlich wahrscheinlicher eingeschätzt. Für einen völlig fremden Täter wäre es ein kaum kalkulierbares Risiko gewesen, nachts in ein Haus voller Menschen einzudringen, ein Kind aus einem mit mehreren Geschwistern belegten Schlafzimmer zu holen und das Gebäude zu verlassen, ohne dass jemand etwas mitbekommt. Die Mordkommission ist daher bis heute überzeugt, dass Zeynep ihren Mörder kannte.
Der Morgen des Leichenfundes
Gegen 4.30 Uhr stellte die Mutter fest, dass Zeyneps Bett leer war. In der Panik liefen Angehörige und Nachbarn hinaus, suchten die Umgebung ab und alarmierten die Polizei Hagen. Es war noch stockfinster, die Luft feucht und kalt, und das Waldstück gegenüber dem Haus lag in tiefem Dunkel. Nur eine Stunde später wurde die Leiche gefunden – je nach Quelle von einem Familienmitglied oder einem Anwohner. Sie hing über einem Weidezaun am Rand eines unübersichtlichen Waldstücks, nur wenige Gehminuten vom Haus entfernt. Der Anblick war für alle Beteiligten verstörend. Zeynep war teilweise entkleidet, ihr Unterkörper freigelegt, der Oberkörper noch teilweise bekleidet. Mehrere Messerstiche im Hals hatten zum schnellen Tod geführt. Trotz der Umstände stellte die Rechtsmedizin fest, dass keine Vergewaltigung erfolgt war – die Tat wurde dennoch als sexuell motiviert eingestuft.
Ein Teil der Kinderkleidung lag blutverschmiert in der Nähe des Fundorts, andere Stücke – darunter ein weißes Ringelsöckchen – sind bis heute verschwunden. In einer Mülltonne unweit der Stelle fanden Ermittler später ein rotes Schweizer Taschenmesser, das als Tatwaffe in Frage kam, sowie ein Paar Kunstleder-Motorradhandschuhe, vermutlich vom Täter getragen, um Spuren zu vermeiden. Doch die Spurenlage blieb begrenzt. DNA-Analysen waren 1986 nicht verfügbar, Fingerabdrücke ließen sich nicht eindeutig zuordnen und die Gegenstände führten zu keinem konkreten Verdacht.
Die Ermittlungen der 80er- und 90er-Jahre
Unmittelbar nach der Tat leitete die Polizei Hagen eine groß angelegte Ermittlungsoperation ein. Die Bewohner des Hauses – bis zu dreißig Personen – wurden vernommen, darunter auch Angehörige und mehrere in der Nachbarschaft wohnende türkische Familien. Alle bekannten Männer aus dem Umfeld wurden überprüft, Wohnungen durchsucht, Alibis kontrolliert. Die Ermittler hatten früh eine klare Hypothese: Der Täter handelte allein, und er stand dem Kind in irgendeiner Form nahe. Diese Annahme blieb über Jahrzehnte bestehen.
Trotz der enormen Ermittlungsarbeit der 80er- und 90er-Jahre kam der Fall nicht voran. Die Akte wuchs auf tausende Seiten an, doch kein Verdacht erhärtete sich. In einem späteren Gespräch mit der Westfälischen Rundschau erinnerte sich der damalige Ermittler Wolfgang Rahmer an eine Überlegung aus der Anfangszeit: Man habe zeitweise auch die Möglichkeit eines Ehrenmordes erwogen oder einen Zusammenhang mit einem ähnlich gelagerten Fall im Bereich des Arnsberger Gerichtsbezirks diskutiert. Doch auch diese Ansätze ließen sich nicht belegen. Der Fall verlief im Sande – bis er fast 40 Jahre später erneut Aufmerksamkeit erhielt.
Die Wiederaufnahme im Jahr 2025
Im Oktober 2025 wurde die Akte offiziell wieder geöffnet. Eine neu eingerichtete Mordkommission, unterstützt von forensischen Spezialisten, begann damit, sämtliche damals gesicherten Asservate erneut zu untersuchen: das Messer, die Handschuhe, verbliebene Fasern, Kleidungsstücke und weitere Spuren. Moderne DNA-Verfahren könnten heute Ergebnisse liefern, die in den 80er-Jahren technisch nicht möglich waren. Die Hoffnung der Ermittler ist klar formuliert: Wenn der Täter damals Handschuhe nutzte, könnten im Inneren Mikrospuren geblieben sein. Auch kleinste Hautschuppen oder Fasern könnten heute ausreichen.
Parallel dazu bauten die Ermittler auf einen weiteren Faktor: Die Zeit. In 39 Jahren verändern sich Familienstrukturen, Beziehungen und Loyalitäten. Personen, die damals schwiegen – aus Angst, aus Abhängigkeit oder aus familiärer Bindung – könnten heute bereit sein, ihr Wissen zu teilen. Dieser Ansatz ist ausdrücklich Teil der neuen Ermittlungsstrategie.
Öffentliche Fahndung über Aktenzeichen XY
Zum ersten Mal wird der Fall nun auch einer bundesweiten Fernsehveröffentlichkeit in voller Form zugänglich gemacht. Am 26. November 2025 wird der Mord in „Aktenzeichen XY… ungelöst“ rekonstruiert. Es ist die erste TV-Behandlung des Falls überhaupt. Die Ermittler hoffen auf Hinweise von Zeugen, die damals etwas gesehen haben könnten – insbesondere Personen, die in der Nacht vom 14. auf den 15. November 1986 im Bereich der Eichendorfstraße oder des Winterlit unterwegs waren oder ungewöhnliche Geräusche, Personen oder Fahrzeuge wahrgenommen haben. Selbst vermeintlich unbedeutende Beobachtungen können heute relevant sein.